Sonntag, 11. September 2011

Hogar Infantil Pequenines

..das ist meine Arbeitsstelle für die nächsten 11 Monate. Es ist eine Art Kindergarten für Kinder zwischen 2 Monaten und 6 Jahren. Am Montag, meinem ersten Arbeitstag, war ich sehr aufgeregt, da ich ja nicht wusste was mich erwartet. Mit dem Bus bin ich morgens in eines der ärmsten Viertel der Stadt gefahren, dort ist das Projekt. Ich wurde sehr herzlich von meinem Chef begrüßt, er ist noch recht jung und sehr freundlich. Er hat mich über das riesige Gelände geführt, mir alles gezeigt und erklärt. Für hiesige Verhältnisse ist es sehr ordentlich und gepflegt, es gibt große Grünflächen und viele einzelne kleinere Gebäude. Insgesamt werden hier ca. 400 Kinder jeden Tag von 8-16 Uhr betreut. Die Kinder stammen aus sehr armen Verhältnissen und einige werden schlecht behandelt. Umgerechnet kostet die Betreuung mit Verpflegung ca. 10 Euro im Monat, dieses Geld dient lediglich dazu, dass die Eltern nicht denken die Betreuung ihrer Kinder seien Almosen. Die meisten Kinder wohnen bei ihren Eltern und kommen nur tagsüber in die Einrichtung, doch es gibt auch ca. 80 Kinder, die aus einem speziellen Grund dort sind: Diese Kinder wohnen eigentlich in den umliegenden Dörfern, dort ist die Sicherheitslage jedoch auf Grund der Bedrohung durch die Guerilla sehr schlecht, besonders in dem Gebiet hier um Popayan. Die Eltern schicken deshalb ihre Kleinkinder in die Stadt zu Verwandten oder Freunden, weil sie denken, dass es besser für sie sei und sie dort auch mehr Bildungschancen haben. Allerdings sehen die Verwandten/ Freunde die Kinder oftmals als Belastung (vor allem finanzieller Art) an und so landen einige von ihnen auf der Straße. Und das schon mit 4-5 Jahren! Diese Kinder sind tagsüber bei uns und zahlen natürlich keine 10 Euro. Alle tragen eine Uniform, für einige ist dies ihr einziges Kleidungsstück. Ich arbeite in einer Gruppe von 35 Kids im Alter von 4-5 Jahren.
Nun will ich euch mal den Tagesablauf beschreiben: Um 8 Uhr öffnet das Projekt und bis 9 Uhr trudeln die Kinder ein. Wir (eine Betreuerin, eine Auszubildende und ich) spielen dann mit ihnen. Leider gibt es kaum Spielsachen, für jedes Kind gibt es genau 10 Duplosteine, einen kleinen Batzen Knete und ein paar Malstifte. Keine Puppen, keinen Sandkasten, keinerlei Bauklötze oder gar Spielzeugautos..., aber bei 400 Kindern ist das schwierig und da kann auch ich nicht plötzlich mit einer Puppe ankommen, das wäre das reinste Chaos und so geben wir uns alle eben mit wenig zufrieden. Um 10.00 Uhr gibt es ein kleines Frühstück: Einen Becher Milch/Kaba und ein kleines süßes Teilchen. Bis 12.00 Uhr versuchen wir den Kindern etwas bei zu bringen, ein Lied, ein Spiel oder wie ich am Mittwoch die Farben auf Englisch. Leider konnten die Kinder teils noch nicht einmal die Farben auf Spanisch und so war es etwas chaotisch. Aber Englisch gilt hier als Statussymbol und eine Mutter kam am nächsten Tag zu mir und war total glücklich und stolz, dass ihr Sohn nun 3 Farben auf Englisch kann. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Um 12.00 Uhr waschen alle Hände, Hygiene wir hier sehr groß geschrieben, denn nur so kann man sich vor Krankheiten schützen und das bekommen die Kinder von Anfang an gelernt. Danach geht es zum Mittagessen, meistens gibt es Reis mit Bohnen, Kochbanane und ein Stück Fleisch. Die Kinder brauchen ganze 1,5 Stunden zum Essen, sie sind so extrem langsam. Teilweise füttern wir sie, da sie anders gar nichts essen würden. In dieser Zeit esse auch ich mein Mittagessen, ich bekomme es vom Projekt kostenfrei gestellt. Anschließend putzen alle Zähne und während sie bis 16.00 Uhr wieder spielen wird jedes Kind einmal einzeln gekämmt und es wird ihm das Gesicht gewaschen. Um ca. 15.00 Uhr bekommen sie noch einen nahrhaften Brei gegen Unterernährung, da sie zu Hause kein Essen mehr bekommen, dazu gibt es noch ein kleines Obst. Wie man sieht, bekommen sie recht viel zu essen, aber wenn man bedenkt, dass das für den ganzen Tag reichen muss, ist es nur angemessen. Meine Arbeit bereitet mir großen Spaß, ich baue die höchsten Duplotürme und knete täglich dutzende von Drachen. Die Kinder sind sehr süß, aber auch recht aggressiv, sie haben kaum Erziehung, treten sich gegenseitig und können keine 2 Minuten still sitzen, das ist sehr anstrengend und eine richtige Geduldsprobe. Einige lassen sich überhaupt nichts von den Betreuern sagen, schlagen und beißen, aber wenn man bedenkt  wie sie leben, ist das verständlich. Trotzdem ist es manchmal wirklich schwierig und ich weiß dann gar nicht, was ich machen soll... Abends bin ich immer sehr müde und schlafe daher schnell ein.
Seit Dienstag hab ich auch 2 Mal die Woche Spanischunterricht durch eine private Lehrerin. Das ist sehr gut, da sie mit mir die gesamte Grammatik durchgeht und ich so nochmals viel lerne. Ansonsten klappt es schon ganz gut mit dem Spanischen und ich kann mich gut verständigen, Wahnsinn wie schnell das geht. Wenn ich da an meinen Thailandaufenthalt 2008/2009 denke und den Kampf mit der Sprache damals ...
Letzten Sonntag war ich mit meinem Gastvater auf unserer Finca, sie liegt nicht weit außerhalb der Stadt und es ist hier wunderschön. Dort steht ein komplett eingerichtetes Ferienhaus und es gibt alle möglichen Arten von Früchten: Bananen, Limonen, Mandarinen, Orangen, Ananas, Mango und ganz viel Kaffee.... Die Aussicht von dort auf die Berge ist umwerfend, alles ist so schön grün. Apropos grün: Hier regnet es jeden Tag, manchmal schüttet es richtig, manchmal sind es nur ein paar Tropfen, aber ein Regenschirm ist hier der beste Freund und ständiger Begleiter.
Dieses Wochenende war ich freitags mit meiner Nachbarin in einer Bar, wir haben uns richtig gut unterhalten. Ich fand es sehr nett von ihr, dass sie mich gefragt hat und hoffe, wir machen jetzt öfters etwas zusammen. Am Samstag feierte meine Kontaktperson (er ist mein Ansprechpartner und kümmert sich gut um mich) Geburtstag und ich habe mittags mit zwei anderen Freiwilligen einen Kuchen für ihn gebacken. Wir mussten etwas improvisieren, da es nicht alle Zutaten hier gibt. Es war sehr witzig, da die Gastfamilie von Moritz (bei ihm haben wir gebacken) Mehl und Butter nicht abgewogen, sondern mit einem Lineal ausgemessen hat. Es hat auch keinen gestört, dass wir den Teig in der gleichen Schüssel angerührt haben, in der sonst die Wäsche gewaschen wird. Tja, andere Länder andere Sitten! Immerhin hat die Familie einen Backofen und sogar einen elektrischen Mixer, so etwas besitzen wir nicht :)
Der Kuchen war schließlich ein voller Erfolg und Carlos, das Geburtstagskind, hat sich sehr darüber gefreut. Wie immer wurde viel getanzt, die Kolumbianer können einfach nicht still sitzen, sie sind immer in Bewegung und sobald die Musik angeht, werden die Hüften gekreist und das sehr sehr sexy...
Jetzt freu ich mich auf die nächste Arbeitswoche mit den Kindern!

Ich hoffe in good old Germany ist alles in bester Ordnung und euch geht es gut!
Viele Grüße
Judith

Auf der Finca

Insgesamt haben wir 5 Hunde auf der Finca, dies ist der jüngste

wunderschöne Blumen...

mit deutschen und kolumbianischen Freunden auf der Geburtstagsfeier

backe, backe Kuchen...

3 Kommentare:

  1. Weshalb essen die Kinder so langsam? Haben sie es sich schon abgewöhnt Nahrung zu sich zu nehmen, weil sie eh immer hungrig sind oder wie kommt das?
    Gruß von Mama

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  2. Hallo Judith.
    Ich gebe mich jetzt auch mal zu erkennen, dass ich deinen Blog immer verfolge.
    Du schreibst sehr gut und detailliert, ich lese immer sehr gespannt.
    Heute in einer Woche werde ich wieder in der WG eintreffen, dann werden wir uns sicher auch mal beim skypen sehen.
    Ich wünsch dir noch viel Spaß und viel Durchhaltevermögen mit den ungezogenen Bengeln :-)

    Grüße Jonas

    P.S.: Beim letzten Mal als du im Urlaub warst haben wir in die Dominikanergasse einen Erdbeerlimes bekommen, ist das dieses Mal auch der Fall? :-) Nur Spaß!

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  3. Nachricht für Jonas:
    Die Erdbeerzeit ist vorüber, darf es daher ersatzweise was mit Zwetschgen sein? ;)
    Judiths Mama grüßt die WG

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